Sorgfalt & Geduld

Antje Hadler war Organisationspsychologin an der Hochschule des Bundes (Standort Berlin).

Dort lehrte sie ab 1995 (als C3-Professorin) die psychologischen Grundlagen einer den Gleichheitsgrundsatz (be)achtenden „Unternehmenskultur“.

Zwischen 1998–2003 leitete sie (im Rahmen einer dienstlichen „Abordnung“ von der Hochschule) das „Weiterbildungsdezernat“ der heutigen Deutschen Rentenversicherung Bund (mit seinen seinerzeit 21.000 Mitarbeitern). Dort entwickelte sie auf wissenschaftlicher Grundlage zeitgemäße Standards für die Personalentwicklung der starren BfA/DRV.

Der selbstvergessene Beamtenapparat an der Hochschule und im Bildungsreferat zeigte sich jedoch keineswegs änderungsbereit. Es wurden weiterhin unqualifizierte „Coaches“ alimentiert oder krause Motivtions-„Methoden“ wie „Gamification“ bevorzugt.

Berufsweg:

Solche – Eigenverantwortung abwehrende – Reflexe hatte Antje Hadler schon als Diplom-Psychologin bei ihren umfangreichen Befragungen in der „freien Wirtschaft“ kennengelernt.

Damals war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Personalwesen und Arbeitswissenschaft (IPA) an der Universität der Bundeswehr in Hamburg .

Sie forschte ( u. a. im Auftrag der seinerzeitigen „Gleichstellungsbehörde“ der Hansestadt) und lehrte an der Bundeswehr Universität von 1988-1993 zu den Themen „Personalführung & -entwicklung“ am Arbeitsmarkt sowie zur realen „Gleichstellung“ in Behörden, die dazu gesetzlich verpflichtet waren, aber diesem Auftrag selten nachkamen.

1994 promovierte Antje Hadler in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (am Fachbereich Organisationswissenschaften der Bundeswehruniversität) zur „Personalpolitik und -entwicklung für Führungs(nachwuchs)kräfte in Großunternehmen“. Als Dr. rer. pol. lehrte sie danach zunächst an der Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) in Hamburg.

Sie prognostizierte 1995 als Erste empirisch die „Karriere-Chancen“ von Frauen und deren erwarteten  Führungspositionen in der deutschen Wirtschaft und kam – entgegen der seinerzeitig optimistischen Forderungen der Frauenbewegung – zu einem skeptischen Ergebnis.

Die frühere Feministin Dr. Cora Stephan schrieb in 1997 in einem SPIEGEL-Special (Nr.7/1997, S. 108 – 111) unter der Überschrift „Das Patriarchat schlägt zurück“:

„Die Berliner Sozialwissenschaftlerin Antje Hadler kommt in ihrer ausführlichen Untersuchung über Frauen und Führungsposition zum knappen Schluss, dass keine der optimistischen Parolen über den unaufhaltsamen Aufstieg der Frauen empirisch gestützt werden könne. Dass sich daran auch in naher Zukunft nicht viel ändern wird, glauben insbesondere die, die darüber zu entscheiden hätten: das männliche Führungspersonal.“

Trotz ihrer ernüchternden Ergebnisse verfolgte Antje Hadler mit wissenschaftlicher Sorgfalt und liebenswürdiger Geduld (sowie Nachsicht mit selbstherrlichen Vorgesetzten, die keinerlei fachliche Qualikation zur Leitung des Hochschul-Standortes besaßen) ihren humanistisch geprägten Forschungsansatz und ihre emanzipative Lehre.

Dies setzte sie allerdings Verletzungen auch noch durch faule Studierende aus.

Sie berührten oft die Essenz ihres persönlichen und beruflichen Werdeganges, den sie keinesfalls durch Absenkung von universitären Standards und Anpassung an modisches Halbwissen verraten wollte, wie ihn die Hochschule immer mehr hinnahm und vielmehr mit Auszeichnungen und Geschenken belohnte.

Lebensweg:

Ihren University-High-School-Abschluss machte sie in Spokane Valley (Washington), auf sich alleingestellt, fernab der heimischen Gewissheiten. Aber sie wurde in ihrer „Familie“ als Gast-Tochter in den Kreis der Stuewe-Geschwister rasch aufgenommen, die sie sehr mochten.

Nach dem Abitur in Hamburg-Harburg absolvierte sie ein (seinerzeit noch vielschichtiges) Studium der Psychologie (mit den Nebenfächern Medizin, Soziologie und Pädagogik) an der Universität Hamburg sowie drei Gast-Semestern in Urbino (Provinz Psearo). Denn neben den Praxisphasen in norddeutschen Landeskrankenhäusern, hospitierte sie auch in Italien, wo seinerzeit eine „Psychiatrie-Reform“ nach dem „Legge centottanta“-Gesetz (1978) versucht wurde.

Ihr Diplom-Studienschwerpunkt in Hamburg lag allerdings in der Arbeits- und Betriebspsychologie sowie der Klinischen Psychologie (Gesprächspsychotherapie, Verhaltenstherapie).

Von 1984-1987 arbeitete sie – zur Finanzierung ihres Studiums – angestellt in einer psychotherapeutischen Facharzt-Praxis mit den Schwerpunkten Krisenintervention, Gruppentherapie sowie Sozialberatung, die ihre spätere Berufsentwicklung prägten.

Freiberuflich entwickelte Antje Hadler zudem (Volkshochschul-)Kurse zur Gesundheitsförderung und schrieb zunächst journalistisch für die HEK-Krankenkasse. Denn in den Achtzigerjahren baute sie zudem alltagspraktisch eine erste „Food-Koop“ im Süden Hamburgs auf, die Bio-Lebensmittel direkt bei Bauern in Niedersachsen einkaufte und unter engagierten Städtern verteilte – dies zu einer Zeit, als Lebensmittelkonzerne und Supermarkt-Ketten noch ignorant die Felder vergiften ließen und arrogant über „die Alternativen“ spotteten.

Leben:

Mit der Stupidität von Machtmenschen hatte sich Antje Hadler bereits angelegt, als sie sich Ende der Siebzigerjahre unter anderem in Bürgerinitiativen zur Erhaltung der Elbdörfer Altenwerder und Moorburg engagierte. Nach Jahrhunderten behutsamen Landbaus und Fischerei mussten beide Dörfer aufgrund eilfertiger „sozialdemokratischer“ Pläne einigen Container-Terminals und riesigen Flächen für Giftschlamm weichen (aus der immer wieder tiefer gebaggerten Elbe direkt über Obstplantagen geschüttet). Die SPD-Stadtregierung vollzog zudem zerstörerisch, was die NSDAP zum Autobahnbau in und um Hamburg ( u. a. durch den Harburger Stadtpark) vorgesehen hatte, ohne dabei auf Natur und Anwohner Rücksicht zu nehmen,

Seit 1981 lebte Antje Hadler mit dem Politologen und Journalisten Rainer Jogschies in Hamburg zusammen, den sie im Jahr 2000 heiratete.

Sie trat, um Gedanken zum Zustand der Gesellschaft auszutauschen und Veränderungen zu organisieren, Anfang der Achtzigerjahre zunächst in die Industriegewerkschaft Druck ein und blieb später aktives Mitglied in der Industriegewerkschaft Medien, mit ihrem Schwerpunkt einer sozialen Absicherung freischaffender Künstler.

Sie veröffentlichte – ebenfalls zur Finanzierung ihres Studiums – freiberuflich in überregionalen Zeitungen wie dem Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt journalistische (sowie in Anthologien wissenschaftliche) Texte. Für große Publikumsverlage (beispielsweise Rowohlt, Eichborn, Mosaik, Orbis) zeichnete sie unter dem Pseudonym „Vandam“ Cartoons.

2004 gründete sie in Berlin den Kleinverlag Nachttischbuch mit, um Autor*innen zu stützen, die in klassischen Verlagsprogrammen keine Chance hatten – als seelischer Ausgleich zu ihrer zermürbenden Hochschularbeit mit zumeist trägen, aber von der DRV gehätschelten Bachelor-Studierenden (obschon von Renten- und Steuerzahlern bezahlt) .

Tod.

Antje Hadler starb – kurz nach ihrem Geburtstag am 5. Februar – am 22. März 2021 im Alter von nur 63 Jahren an den Folgen einer langjährigen, auszehrenden Krebserkrankung.

Ein Jahr zuvor, gerade als die Erkrankung 2020 schon „besiegt“ schien, hatte die DRV-Personalabteilung gleichwohl versucht, sie statt einer vorgeschriebenen „Wiedereingliederung“ in den Betrieb zwangsweise „zur Ruhe“ zu setzen. Genau dies war die verrohte Art und die Unmenschlichkeit einer „Personalführung“, die Antje Hadler in über fünfundzwanzig Dienstjahren überwinden helfen wollte.

Anstelle von Genesungswünschen kam so ein doppelter Schlag. Sie und ihre Arbeit wurden weggeworfen. Ihre Bezüge wären – absehbar und neiderfüllt gewollt – drastisch gekürzt worden. Obwohl sie gegen ihren Willen ein halbes Jahrzehnt vorm „Erreichen des Renteneintrittsalters“ in den „Zwangsruhestand“ sollte,

Dies war wörtlich das Letzte, was sie von ihrem Arbeitgeber erlebte. Es hätte sie getötet, wenn sie noch erlebt hätte, wie mit ihrem Engagement nachträglich umgegangen wurde: Ihr privat angeschaffter „Handapparat“ in ihrem Büro, wo Studierende sich kostenfrei jene teuren Bücher ausleihen konnten, die die Hochschulbücherei nicht bereitstellte (sondern vielmehr billige unwissenschaftliche Ratgeber), wurde nach ihrem Tod (ganz im Verwaltungsstil sowie im ungerührten Amtsdeutsch – und nicht ohne eigenen Stolz, beamtet zu sein) wörtlich: – „fachgerecht entsorgt“.

* Geboren am 5. Februar 1958 in Hamburg-Harburg.

† Gestorben am 22. März 2021 in Berlin-Halensee.

Beerdigt am 7. April 2021 auf der „Toteninsel“

(Grunewald-Friedhof an der Bornstedter Straße).

Veröffentlichungen (Auswahl)

* Kunkel-van Kaldenkerken, R., Hadler, A. et al. (2004): Konfliktbearbeitung: kooperieren – handeln – lösen. Handreichung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Berlin.

* Hadler, A. (2001, 3. überarb. und erweit. Auflage), 1999 (2. Auflage), 1997 (1. Auflage). Personalpolitik für weibliche und männliche Führungskräfte: Verharren im ‚So-als-ob‘? Zustand der formalen Chancengleichheit oder Aufbruch zur Durchsetzung einer faktischen Gleichstellung? in: Krell, G. (Hg.), Chancengleichheit durch Personalpolitik. Gleichstellung von Frauen und Männern in Unternehmen und Verwaltungen. Rechtliche Regelungen – Problemanalysen – Lösungen, S. 302 – 329.Wiesbaden.

* Hadler, A. (1999): Werdegänge von Inspektorenanwärterinnen und -anwärtern im gehobenen Dienst der BfA. Eine Studie zur ungleichen Funktionsverteilung von weiblichen und männlichen Beschäftigten. (BfA-interne Studie).

* Hadler, A. (1997): Verändertes Auswahlverfahren für die Fachhochschule. in: FB: SV aktuell, Jg. 2, Nr.5. Berlin.

* Hadler, A. (1996): Personalmarketing für weibliche Führungskräfte. in: Wagner & Hummel, Differentielles Personalmarketing, S. 159 – 186. Stuttgart.

* Hadler, A. (1995): Frauen & Führungspositionen: Prognosen bis zum Jahr 2000. Eine empirische Untersuchung betrieblicher Voraussetzungen und Entwicklungen in Großunternehmen. Frankfurt/ M., New York, Bern, Paris, Wien

* Hadler, A. (1995): Frauen in Führungspositionen. Annäherungen an eine gleichgestellte Teilhabe, Aufrechterhaltung horizontaler und vertikaler Segmentierungen oder Einführung neuer Arbeitsteilungen? in: KOBRA (Hg.), Beiträge zu Instrumenten der Personalauswahl und Personalentwicklung aus der betrieblichen Praxis und der Wissenschaft. Werkstattpapier zur Frauenförderung, Nr.7, S. 71 – 85.

* Hadler, A. (1995): Frauen & Führungspositionen – Prognosen bis zum Jahr 2000, in: Bundesanstalt für Arbeit (Hg.) , FRAUEN: Ausbildung – Beschäftigung – Weiterbildung. ‚informationen für die Beratungs- und Vermittlungsdienste der Bundesanstalt für Arbeit‘ (ibv), Nr.27, S: 2101 – 2107. Nürnberg.

* Domsch, M. E., Hadler, A. & Krüger, D. (1994): Personalmanagement & Chancengleichheit. Betriebliche Maßnahmen zur Verbesserung beruflicher Chancen von Frauen in Hamburg. München und Mering.

* Hadler, A. & Domsch, M.E. 1994. Frauen auf dem Weg in Spitzenpositionen der Wirtschaft? Eine Bestandsaufnahme für die Bundesrepublik Deutschland, in:. Aus Politik und Zeitgeschichte/ Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“.

* Domsch, M., Bledowski, P., Bock, A., Hadler, A. & Lichtenberger, B. (1992): Personalführung in Polen. München und Mering.

* Domsch, M. & Hadler, A. (1989): Marketing for Women in Management, in: European Management Journal, Vol.7., No.4, S. 510 – 515.

Weitere Informationen über Antje Hadler finden Sie in der Deutschen Nationalbibliothek und der Deutschen Digitalen Bibliothek

* DNB-Portal und

* DDB-Person

sowie auf den Webseiten des Nachttischbuch-Verlages:

* Nachruf auf die Verlegerin Antje Hadler

* Verlags-Notizen zur Autorin Antje Hadler

Weitere Informationen finden Sie in Wikipedia:

* Wikipedia-Artikel zu Antje Hadler